T.A.01793  Konzept  (V. 4.5.1993)
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Ort Künstlerhaus Wien
Zeit 9. Juni - 4. Juli 1993
Art Environment
   
  Anm: Für dieses Projekt, Verleihung der "Goldenen Ehrenmedaille"
   
  Goldene Ehrenmedaille Künstlerhaus Wien 1993
   
   
Raumgestaltung:
   
  Alle Wände weiß.
   
  Am Boden ein goldener Weg, welcher in voller Durchgangsbreite den 1. Raum durchmißt und bis zum Ende der beiden geöffneten Türen im zweiten Raum reicht (187x400cm). In gleicher Breite schließt direkt an das Gold ein geradliniger Weg aus schwarzer Erde an, welcher an der Stirnwand des 2. Raumes endet. Der Weg aus Erde zweigt in der Mitte des 2. Raumes rechtwinkelig in den 3. Raum ab und reicht wiederum bis zu seiner Stirnwand. Es bildet sich ein T-förmiger Weg aus schwarzer Erde. Der Boden beiderseits des Weges ist in allen drei Räumen mit schwarzen Planen ausgelegt.
   
  Die seitliche Begrenzung des Weges bilden auf der linken und rechten Seite eine schwarze Leiste auf welcher sich weiße Zahlen befinden, die bestimmte Punkte bzw. Ereignisse markieren. Meßeinheit ist die Lichtsekunde: 0,000000003335640952 m/sec
   
  Weiße Wände - schwarzer Boden - goldener Weg - erdiger Weg - Zeit/Licht Skala
   
  Am Ende des erdigen Weges in Raum 2, befindet sich an der Wand eine ca. 60 Jahre alte Stechuhr (Inventar Nummer: 13). Diese Uhr stammt aus einem Stahlwerk. In ihr offenbart sich zur Materie gewordene, bezahlte Zeit. Das monotone Ticken, welches durch ein lautes Geräusch zu jeder Minute und ein noch lauteres zu jeder Stunde unterbrochen wird, vermittelt mechanische Kontrolle. Im Einsteckschlitz für die Stempelkarte manifestiert sich die Energie millionenfacher Emotionen kontrollierter Zeit. (Anm.: Die Stechuhr blieb 3 Tage vor der Vernissage, am 6. Juni 1993, stehen und ist seither ausser Funktion. Der 6. Juni ist der Todestag von Yves Klein.)
   
  Künstlerhaus Wien Hausgalerie 1993 - Environment J. Angerbauer
   
  An der rechten Wand in Raum 2, sind ein Bündel weißer Baumwollhandschuhe mit einem antiken, rostigen Nagel an die Wand genagelt. Die Finger und Handflächen der weißen Handschuhe tragen verschiedenste Farben erdiger Farbtönen. Es sind dies sieben Handschuhpaare mit den Erdspuren aus den seit 1989 stattfinden Handlungen der Rückgabe des Goldes an die Erde, die an jedem Freitag, den 27sten realisiert werden.
   
  Am Ende des erdigen Weges in Raum 3, an der Wand zwei Objekte. Linkes Objekt: Poliment, Sorte B (warmer Glanz). Rechtes Objekt: Poliment, Sorte S (kalter Glanz). Zwischen den beiden Objekten, an der Wand, auf der Mauer, Poliment, Sorte L (Vertiefungen = T.A.).
Alle Poliment Motive zeigen einen Streifen von 33x270mm.
   
  Die Ausstellungs Einladung wird in Form von Stempelkarten mit fortlaufender Nummerierung gestaltet sein. Jede Einladung ein Unikat.
   
  Diese Karten stellen eine imaginäre Verbindung vom Besucher zu den beiden Wegen zur Stempeluhr und nach der Stempeluhr her.
  Die Zeit/Licht Skala begleitet den Weg und die Zeit/Materie Karte begleitet den Menschen.
   
  Hier die Unikat Einladung "1.793", avers und revers:
   
  Zeit Stempelkarte als Vernissage Einladung - Künstlerhaus 1993 click to enlarge
   
Handlung:
   
Vor dem Betreten des 1. Raumes trifft der Besucher die Entscheidung Gold mit den Füßen zu treten. Der Besucher betritt den goldenen Weg, bestehend aus 60 S/W Fotografien, welche mittels 23-karätigem Dukaten Doppelgold vergoldet wurden. Durch das Betreten und der sich dadurch vollziehenden Erosion werden im Laufe der Zeit die Bildinhalte partiell sichtbar. Destruktion wird zu einem schöpferischen Prozeß der zur Erkenntnis führen kann. Das mit den Schuhen verschleppte Gold wird wieder der Erde zugeführt. Die Goldschleuse wird zur Goldsenke.
   
  An der Schwelle vom Gold zur Erde wird der Rezipient das Betreten der Erde mit "beschmutzen" assoziieren.
   
  Er steht auf unreinem Gold und verbindet reine Erde mit Schmutz.
   
  Nachdem der Besucher die Schwelle überschritten hat - konzeptuelle Reinigungsarbeit geleistet hat - besteht für ihn die Möglichkeit seine Karte zu stempeln - damit aktiver Teil der T.A. zu werden.
   
  Eine Stechuhr kann ihren Zweck nur erfüllen wenn sie am Anfang und Ende eines Prozeßes steht. Durch die örtliche Zweckentfremdung, den Entzug der Kontrollfunktion und der damit verbundenen Kunsttransformation steht sie jetzt in der Mitte eines Prozeßes, neutralisiert und doch dominierend. Dadurch nimmt sie einen gleichsam "göttlichen" Platz ein. Sie beinhaltet Anfang, Mitte und Ende eines goldenen Weges der durch Destruktion und Zeit zu schöpferischer Erkenntnis führt.
   
  Beschreitet der Rezipient den Weg von Raum 3, wird er vor 3 an der Wand befindlichen Polimentflächen stehen. (Die Poliment- oder Glanzvergoldung ist die älteste Vergoldungstechnik. Sie läßt sich mit harten, glatten Instrumenten polieren und kommt dadurch der Erscheinung des massiven polierten Metalls am nächsten).
   
  Das Poliment täuscht den Rezipienten. Es ist keine Farbe sondern Medium.
  Poliment erfüllt seinen Zweck als Grundlage zur Vergoldung. Durch das Weglassen des Blattgoldes entstehen Flächen die potentiell auf ihre Vergoldung warten. Der Vergoldungsprozess findet in der Phantasie des Rezipienten statt. Das Poliment wird zu einem imaginären Spiegel. Das Poliment Motiv zeigt den Schlitz der Stempeluhr aus der Vogelperspektive.
   
  Polimentstreifen - Polimentschlitze - Stechuhrschlitze - Sehschlitze - Spiegelschlitze - Zeitschlitze...
   
  Poliment Zeit Spiegel - Stechuhr Schlitze
   
  Das Ende des Weges wird zum Anfang. Der (immaterielle) Spiegel bringt die am Anfang des Weges unter dem Gold verborgene Wahrheit in das Bewußtsein.
   
  Auf dem Rückweg wird der Rezipient das Handschuhbündel fokusieren und dann ein zweites Mal vor der Goldschwelle stehen. Links und rechts vom Durchgang hängen die Legenden zu den Bildinhalten unter dem Gold. Diese Bildinhalte beziehen sich in komplexer Weise auf Gold in menschlicher, künstlerischer, religiöser, materieller, transzendenter Hinsicht - auf mit Gold zeitlich verbundenen Zusammenhängen.
   
  Gold kann blenden, Goldene Bilder (Inhalte) können lügen... (!)
   
  Goldschwelle mit Bildinhalten:

  Stempeluhr



Erdiger Weg


Stempelkarte Nr. 6 Stempelkarte Nr. 7 Stempelkarte Nr. 8 Stempelkarte Nr. 9 Stempelkarte Nr. 10
Stempelkarte Nr. 1 Stempelkarte Nr. 2 Stempelkarte Nr. 3 Stempelkarte Nr. 4 Stempelkarte Nr. 5
Unter dem Kuppeldach der Hagia Sophia.
Grösster Raub und Umschmelzpozess von Goldenem Kulturgut beim 4. Kreuzzug, am 12.4.1204
Hand mit 4=1 Golddukaten. Teil 1 des 10. Transformators.
2. komplexer Teil aus Elementen der voran- gegangen Handlungen, erfolgte in Form einer Eprouvette
10. Transformator

23.4.1993
ISTANBUL

(Galatabrücke, Erde von Hagia Sophia und Üsküdar)
Russischer Matrose. Oberkiefer mit Goldzähnen.  Kurz vor der Handlung am 23.4.1993.

33 ROT, 33 BLAU, Zeit
Hand nach der Versenkung des 10. Tr. auf der Galatabrücke um 19:07. Blickrichtung von Europa nach Asien. Üsküdar / Chrysopolis = Goldstadt
Marslandschaft "Chryse Planitia" = Die Ebene des Goldes. 1.Foto von der Marsoberfläche. "Viking 1" 20.7.1976 Elektronenmikroskopische Aufnahme von Elektroden. Im Kreuzungspunkt ein regulierbarer Quantenpunkt. (Spektrum der Wissenschaft 3/93) 9. Transformator

27.11.1992
STEYR

(Heimaterde)
Portrait

Johannes Angerbauer
1962

*14.4.1958
Bäume im Schloßpark von Steyr. Stimmung am Schloßparkteich.

3. Station der T.A.01593
Schädelberg von Stalinopfern.

Gefunden in einem Massengrab im Uralgebirge. In einer ehemaligen Goldmine...
KZ - Opfer

Aus der Dokumentation "Der Gelbe Stern"
8. Transformator

27.3.1992
TOPLITZSEE

(Ufererde)
Portrait

Unbekanntes KZ-Opfer

Aus der Dokumentation "Der Gelbe Stern"
Strassenwaschender Jude
Wien, Albertinaplatz

ZAHN-GOLD
ZEIT-GOLD
25.5.1990
Goldener Revolver

"Präzision in Gold"

Schmuckfabrik Werbung, Genf, 1982
"Magie und Zeit, Ausdruck einer unvergänglichen Verbindung"

Rolex von Wagner
Werbung,1992
7. Transformator

27.3.1991
STEYR

(Wasser)

Portrait

Paul Hartmann
Gustav Gründgens in "Faust" 1954
Käthe Gold als Margarete in Gründgens "Faust".

(Margarete Brand +1772, von holländischen Goldschmiedegeselle gescwängert, inspirierte Göthe.)
ÖGUSSA Quecksilber Behälter, 500 Gramm.
Reinheit 999,9

Warnung: "Gift, Gefahr kummulativer Wirkung beim Einatmen"
C.E.R.N.

Aus J.L. Byars Katalog

paris 1983
6. Transformator

27.9.1991
LAVA

(Wird nicht stationiert)
Portrait

James Lee Byars
"Golddust is my Ex Libris"

James Lee Byars Katalog
Paris 1983
ÖGUSSA Quecksilber Behälter, 500 Gramm.
Reinheit 999,9

Warnung: "Gift, Gefahr kummulativer Wirkung beim Einatmen"
Leitern der Goldminenarbeiter in der Serra Pelada

Genannt: "Adios Mama"
5. Transformator

27.7.1990
STUTTGART
"Stuttgarter Kiesel"
"Daimlerbrücke, Wasser vom Feuersee, Erde vom Goldberg)
Portrait

Joseph Beuys
1977

*1921   +1986
Joseph Beuys mit seinem "Friedenshasen"

Umschmelzaktion,
Stuttgart 1982
Konquistatores bei der Eroberung Mexikos

Bernardino de Sahagon
1521
"Sie suchen nach dem Gold wie die Schweine"
Goldbarrenreplika aus dem Mel Fisher Museum in Key West.
"22 Karat coating contains precious metals from an actual sunken Treasure Galleon"  1622 / 1985
4. Tranformator

27.4.1989
FLORIDA
Ten Thousend Islands

(Erde von den Everglades)
Portrait

Mel Fisher

(Amerikanischer Goldsucher)
Goldkreuz und Smaragdkreuz aus Spanischer Galeone
Florentiner Dom

8 Tote durch Quecksilber Vergiftung bei der Feuervergoldung der
8-teiligen Goldkugel, auf der Laterne.
1602
Altar der Kathetrale von Sevilla.

Zur Gänze aus Inka Gold
3. Transformator

27.10.1989
ROM / VATIKAN

(Erde von Rom und Vatikan)
vakat Papst Johannes Paul II bei Liturgie in der Dom. Republik, 1992.

Karol Woytila "Der Laden des Goldschmieds"
Goldminenarbeiter in der Serra Pelada presst Quecksilber aus Amalgam Portrait

Goldminenarbeiter
aus Serra Pelada, 1987
2. Transformator

27.6.1989
STEYR
"Denk - Mal"

(Erde und Messingspäne)
Portrait

Johann Angerbauer
*1928  + 1977
Silberbrosche
ÖGUSSA Quecksilber Behälter, 500 Gramm.
Reinheit 999,9

Warnung: "Gift, Gefahr kummulativer Wirkung beim Einatmen"
"BILD" Zeitung vom 17.4.1989. Gefunden am Toten Meer in Israel.
GOLDREGEN
GELDREGEN
TODESKÄFIG
1. Transformator

4.5.1989
ISRAEL / DEAD SEA
(Salz vom Toten Meer, 9 Steine vom Ölberg in Jerusalem)
Portrait

Yves Klein
1961

*1928  +1962
Yves Klein

Goldritual 1959
Paris, Seine
"Zone de Sensibilite Pictorale Immaterielle"
Eingang

 in die Künstlerhaus Hausgalerie

   

  Am 9. Juni 1993 werden dem erdigen Weg, vor den 3 imaginären Poliment "Spiegeln", folgende Elemente übergeben:
   
  Salz aus T.A.02b89, Dead Sea, Israel
Erde aus T.A.0489, Rom, Vatikan
Erde aus T.A.0890, Florida, Everglades
Erde aus T.A.0990, Stuttgart, Goldberg
Erde aus T.A.01492, Stmk, Toplitzsee
Erde aus T.A.01592, OÖ, Steyr, Schlosspark
Erde aus T.A01693, Istanbul, Hagia Sophia
Ein Fragment des 9. Steines aus der T.A.02b89, Jerusalem
   
  Diese Handlung ist nicht öffentlich.
   
 
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Das Umschmelzen von Gold ist das älteste Recyceling Verfahren der Menschheit (ca. 5.700 Jahre). Es wird mittels Quecksilber, Natriumzyanid und Zerstörung von Mensch und Natur gewonnen. In jedem Stück Gold ist und wird potentiell anonymes Leid und Gewalt eingeschmolzen.
 
Im Reinraum der Mikroelektronik Industrie herrscht Goldverbot. In der Produktions Endphase ist Gold ein wesentlicher, leitender Faktor (Bonds).
 
Gold ist Zeit.
 
Die Rückkehr des Goldes zur Erde schafft dem vom Menschen moralisch verunreinigten Element eine Senke. Durch die Rückkehr zum Ursprung - der Erde - vollzieht sich eine symbolische Reinigung.
 
Gold ist das einzige Element das die Möglichkeit in sich birgt, durch sein bloßes Erscheinen, ein globales und transglobales Symbol menschlicher destruktiver Eigenschaften und menschlichen Leids zu sein.
  J. A. 1993
   
Anmerkung:
   
  Die Reinigung des Goldes erlebte unerwartete, erweiternde Schritte:
   
  Die Erosion des Goldes fand nur sehr spärlich statt. Nach drei Wochen Ausstellungsdauer waren noch keine Bildinhalte zu sehen. Kurz vor Ausstellungsende wurde unerwartet das Goldfeld mit feuchten Tüchern offensichtlich gereinigt. Die Abdrücke des Eimers manifestierten sich im wahren Golde... Die Raumpflegerin wurde so zur Goldwäscherin... Das Gold kehrte professionell zur Erde zurück.
  Die wasserlösliche Vergoldungstechnik ließ daher den wahren Bildinhalt erscheinen:
   
  1.- Zerlumpten Füße der Goldminenarbeiter
2.- "Adios Mama" Leitern der brasil. Goldmine Serra Pelada
3.- Ein von Goldsuchern ermordeter, nackter Indio aus dem Buch "Die letzte Jagd" von Rüdiger Nehberg als mittleres "Rückgrad" Element, in Schwarz abstrahiert.
   
  Die Handschuhpaare erhielt ich auch überraschend, alle sauber gewaschen, von der Ausstellung zurück...
   
  Völlig unerwartet wurde mir für dieses Projekt die "Goldene Ehrenmedaille für besondere künstlerische Leistung" verliehen, wofür ich sehr dankbar war und bin.  Ich erinnere mich noch gut daran, als ich damals den Anruf mit der Mitteilung die Auszeichnung verliehen zu bekommen, sagte: "Vera.... können's wen anderen" und dann den Hörer auflegte. So ist es mit dem Gold, der Kunst und der Zeit...
   
  Johannes Angerbauer-Goldhoff  1993/2015
   
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